Menschenrechte versus Menschenwürde (Buch)
Dieter Schimang
Menschenrechte versus Menschenwürde
Zu unserer Kultur der Diskriminierung
Eine Streitschrift
204 Seiten, broschiert
Frankfurt am Main 2013
ISBN 978-3-941743-31-1
Buch 19,80 Euro
E-Book (PDF) 13,80 Euro
Seit der Erklärung der Menschenrechte gab und gibt es keine andere Kultur auf diesem Globus, die die Gleichheit aller Menschen so explizit und radikal verficht wie die unsere, die bürgerliche. Und keine andere Kultur hat historisch die Menschenwürde so sehr verletzt, hat so sehr entmenschlicht wie die unsere: Die die allgemeine Gleichheit verkündeten, waren Eroberer und Sklavenhalter.
Manche Kultur ist an geringeren Widersprüchen zerbrochen – nicht die bürgerliche. Wie sie aber überlebte mit solch ungeheurem Widerspruch, wie sie ihn, getrieben vom eigenen Legitimationsbedarf, zu rechtfertigen versuchte mit der biologistischen Ent-Menschlichung der Anderen, der eigenen Überhöhung durch die Usurpation von Vernunft und Kultur, durch die Europäisierung der Erscheinung der Welt – das wird hier nachgezeichnet. Gezeigt wird, wie jener Widerspruch dann verschwand in einer Kultur der Diskriminierung, im Widerruf der Menschenrechte in Praxis und Ideologie, in der Wandlung eines bürgerlichen »Universalismus« zur Herrschaftsideologie.
Unser Erbe als Kinder dieser Diskriminierungskultur ist »die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein«. Sozialisiert in einer solchen Kultur, identifiziert mit ihr, genügt unser guter Wille allein nicht. Schon das Gespräch um die Menschenrechte muss misslingen ohne die Einsicht, dass die bürgerliche Kultur selbst die Universalität ihrer Menschenrechte längst praktisch widerrufen hat, es wird misslingen ohne die Konsequenzen aus dieser Einsicht.
Inhalt
Einleitung
Menschenrechte und Geschichte 11
I. Die kulturanthropologische Ebene:
traditionelle vs. bürgerliche Sozialisation
1. Das Individuum: traditionell vs. bürgerlich 21
Das »traditionelle« Individuum 22
Das bürgerliche Individuum und Menschenbild 25
Die individuelle Flucht aus dem Unerträglichen 31
Sakral-sozial versus säkular-individuell:
doppelt inkompatibel … 34
… und obendrein subversiv 36
II. Die historische Ebene:
die Welt-Herrschaft des Bürgertums
1. »Alle Menschen sind gleich« anno 1776 41
Zur Erinnerung 41
Das Ende von Afrikas blühenden Landschaften 45
Ent-Menschlichung – nicht immer blutig 47
2. Allgemeine Gleichheit – im Widerspruch 51
3. Keine zufällige Koinzidenz 55
4. Vernunft und »Bürde des weißen Mannes« 63
Beweisnot und Verfeinerungsdruck 63
Von der Menschwerdung der Vernunft im Bürger 64
Die Verabsolutierung der Vernunft 67
Vormund einer unmündigen Welt … 71
… und ihr Lehrer und Erzieher 76
USA: Paternalismus und »Privatisierung« 78
5. Der neue Schein der Wirklichkeit 82
»Denn er ist unser« –
Auf dem Globus gilt Europas Wort, Form und Maß 82
Gefangen in der Logik der Selbst-Entgrenzung 85
Eine Kultur der Diskriminierung 90
Sozialisiert in der Kunst der Diskriminierung 92
6. Die Diskriminierungskultur entfaltet sich 95
»Entkolonialisierung«: die Evolution des Scheins 95
»Open door« und »Entwicklungshilfe« 100
Die Selbstverklärung: wir Helfer und Lehrer 103
Wer deutet die Wirklichkeit? Die Definitions-Macht 108
Die »Weltgesellschaft« – und wer sie definiert 109
»Der Eine stellt die Regeln auf …« 112
Offene Gewalt als ultima ratio – und »privat« 114
Resümee 114
III. Der Universalismus westlicher Menschenrechte
1. Westliche Menschenrechtspraxis 119
Die historische Dynamik: Krise, Reaktion, Regression 119
Westliche Ansprüche und Glaubwürdigkeit 121
Ein Rückblick 122
Ohne universelle Legitimation und Akzeptanz 125
Eine kontraproduktive Praxis 127
Menschenrechte versus Menschenwürde 129
2. »Universalismus« als Herrschaftsideologie 132
Ein provinzieller »Universalismus« 135
»Universalismus« als interkulturelle Aggression 138
Individualisierung – globalisiert 140
Der »Universalismus« als selbstgestellte Falle 142
Wenn der Bote die Botschaft diskreditiert 146
3. Die Lackmusprobe Kulturrelativismus 150
Ein nützliches Konzept – vulgarisiert, verteufelt 151
Kulturrelativismus – auf die Füße gestellt 155
Warum dieser Kreuzzug? 158
Vom Sündenfall zur Struktur 162
IV. Auswege: Vom »Universalismus« zum Universalismus
1. Wie umgehen – mit solchem Erbe? 169
Historisch privilegiert – und blind 169
Ausschlagen, verdrängen – oder annehmen? 170
Ein hoffnungsvoller Dialog 172
Unsere Chance: Wir sind nicht monolithisch 175
Lob der Partikularität 177
Partikularität am Beispiel der Menschenrechte 178
2. Wege aus dem historischen Extrem 180
Zur Universalität der Partikularitäten 180
Am Beispiel: eine Brücke zwischen Partikularitäten 181
Universalismus als Arbeit und – Chance 184
Und wie umgehen mit den Menschenrechten - konkret? 190
Im Hintergrund: die anthropologische Ambivalenz –
historisch zum Gegensatz aufgebläht 193
Literaturverzeichnis 195
Der Autor
Dieter Schimang, Kulturanthropologe, lebt in Frankfurt am Main.