• PDF
  • Sonderpreis!
Kommunikationspolitik von Krankenhäusern
  • Kommunikationspolitik von Krankenhäusern

Kommunikationspolitik von Krankenhäusern (PDF)

Henrik Cohnen
Kommunikationspolitik von Krankenhäusern
Qualitätsberichte zwischen Informationspflicht, Patientenorientierung und Ökonomisierungsdruck

Mit einem Vorwort von Thomas Loer

360 Seiten, broschiert
86 Abbildungen, davon 80 in Farbe
Frankfurt am Main 2012
ISBN 978-3-941743-17-5

Buch 44,00 Euro
E-Book (PDF) 29,80 Euro

29,80 €
Bruttopreis
Menge

Das Spannungsverhältnis zwischen der Aufgabenbestimmung von Krankenhäusern als zur Institution des Gesundheitswesens gehörig und Ökonomisierungsstrategien, die sich einer marketing-orientierten Werbepraxis bedienen, der aus standesrechtlichen und gesetzlichen Gründen schon enge Grenzen gesetzt sind, zerstört objektiv den Versuch, durch Werbung der Krisenkonstellation zwischen Kostendruck und Behandlungsqualität im Krankenhauswesen zu begegnen. Dieser ironischerweise gesetzlich verordnete Versuch ist selbst, so zeigt sich deutlich, Ausdruck der Krise. Allein der konsequente Verzicht auf Selbstanpreisung und die zurückhaltende Erfüllung der Vorgaben retten aus dem erzwungenen Dilemma.

Aus dem Vorwort von Thomas Loer

Einleitung

Angesichts des grundlegenden Paradigmas der Ökonomisierung und der diesem Paradigma folgenden Reformversuche der Politik sieht sich das Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland – und damit auch sein Krankenhauswesen – mit einem akzelerierend wachsenden Kosten- und Wettbewerbsdruck konfrontiert. Die wohl tiefgreifendste Umstrukturierung des Gesundheitswesens, das bislang durch seinen sozialen Auftrag konstituiert wurde, hin zu einer Neuordnung, die das Postulat einer grundlegenden Ökonomisierung anstrebt, kann hierbei in der Einführung des DRG-Abrechnungssystems im Jahr 2004 identifiziert werden. Folgen dieser Ökonomisierung sind ein massives Sterben von Krankenhäusern, die Reduzierung der Bettenzahlen bei einem gleichzeitigen Anstieg der Kosten der Krankenhäuser sowie ihrer Patientenzahlen. Darüber hinaus zieht die Strukturreform einen Wettbewerb unter den Kliniken nach sich, der sich primär in einem Zielkonflikt zwischen der Kostenstruktur und der Behandlungsqualität vollzieht. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung beginnen Krankenhäuser, sich selbst immer stärker als kundenorientierte Dienstleistungsunternehmen zu definieren und die Bedeutung des Marketings als Instrument der eigenen Bestandssicherung für sich zu entdecken.

Neben der Wettbewerbsverschärfung vollzieht sich ein weiterer Trend, bei dem Krankenhäuser gleichzeitig mit zusätzlichen Dokumentationspflichten belastet werden. Ein Ausdruck dieser Entwicklung besteht in der Pflicht zur regelmäßigen Veröffentlichung von Qualitätsberichten. Auf der Grundlage der Berichte soll es den spezifischen Interessengruppen ermöglicht werden, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss definierten Kennzahlen der Krankenhäuser (z.B. apparative und personelle Ausstattung der einzelnen Abteilungen, Art und Anzahl der Diagnosen und durchgeführten Operationen, Instrumente des Qualitäts­managements etc.) zu vergleichen und damit die Qualität der Patientenversorgung einzuschätzen sowie weitergehende Informationen über das Leistungsangebot oder die Selbstdarstellung des Krankenhauses zu erhalten. Demzufolge werden nicht nur die Dokumentationspflichten der Krankenhäuser verschärft, sondern zusätzliche Spielräume für ihre Marketingaktivitäten in Form spezifischer Kommunikationspolitiken eröffnet, da zu vermuten gilt, dass über die reine Dokumentationspflicht der Kennzahlen hinaus von Krankenhäusern der Versuch unternommen wird, die Attraktivität der Qualitätsberichte für ihren Adressatenkreis zu erhöhen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss definiert die Ziele der Qualitätsberichte in einem ersten Schritt als »Information und Entscheidungshilfe für Patienten im Vorfeld einer Krankenhausbehandlung, Orientierungshilfe bei der Einweisung und Weiterbetreuung der Patienten für Vertragsärzte und Krankenkassen, Möglichkeit für die Krankenhäuser, ihre Leistungen nach Art, Anzahl und Qualität nach außen transparent und sichtbar darzustellen«. Hierfür wurden Inhalte, Umfang und das verpflichtende Datenformat festgelegt. Für das Berichtsjahr 2006 wurden die formalen Vorgaben für die Qualitätsberichte in folgende vier Teile gegliedert: »Struktur- und Leistungsdaten des Krankenhauses (Teil A), Struktur- und Leistungsdaten der Organisationseinheiten und Fachabteilungen (Teil B), Qualitätssicherung (Teil C) und Qualitätsmanagement (Teil D)«. Darüber hinaus bleibt es den Krankenhäusern überlassen, unter Einhaltung dieser verpflichtenden Vorgaben die Qualitätsberichte eigenständig zu gestalten. Es ist zu vermuten, dass sich für Krankenhäuser eine neue Möglichkeit der Kommunikationspolitik eröffnet, mit der sie ihre Marke bzw. ihr genuines Image zu positionieren versuchen.

In diesem Zusammenhang erscheinen besonders Fotografien, wiederkehrende Bildelemente oder Serien ähnlicher Fotomotive als Gestaltungselemente für die Identifikation von Strategien des operativen Marketings interessant. Bildinhalte können dabei u.a. wissenschaftlich-technische Motive (Reagenzgläser, Petrischalen, Kernspintomographen und andere Diagnosetechnik), Außen-, Innen- und Luftaufnahmen der Krankenhäuser oder die Darstellung von Arbeitsabläufen und des Krankenhauspersonals mit dem Fokus auf Arbeitsteilung, Kommunikation oder Behandlung und Pflege von Patienten sein. Hier gilt zu vermuten, dass Botschaften dieser Kommunikationselemente auf die Repräsentation von Patientenorientierung, Fürsorge und persönliche Wahrnehmung, Behandlungsqualität oder Komfort in der Ausstattung der Kliniken abzielen. Weitere Elemente der Qualitätsberichte, die Aufschluss über die Kommunikationspolitik von Krankenhäusern versprechen, sind beispielsweise Leitbilder als Ausdruck der Organisationskultur und -philosophie, Einleitungstexte oder Vor- und Grußworte der Klinikleitung.

Neben der These, dass Qualitätsberichte als Medium der Kommunikationspolitik durch Krankenhäuser genutzt werden, bestehen klassische Instrumente der Kommunikationspolitik beispielsweise in Pressemitteilungen über die Einführung von medizintechnischen Großgeräten oder einem Tag der offenen Tür. Solche Instrumente verfügen allerdings nur über eine lokal begrenzte Reichweite. Dagegen zeichnen sich Internetauftritte von Kliniken und eben auch Qualitätsberichte durch eine überregionale und dauerhafte Verfügbarkeit aus. Qualitätsberichte versprechen für die Untersuchung der Kommunikationspolitik von Krankenhäusern ein besonderes Aufschlusspotential: Die Qualitätsberichte wurden von den betreffenden Krankenhäusern konzipiert, inhaltlich geprüft und als Medium ihrer Außendarstellung von den Leitungsebenen autorisiert. Sie stellen somit ein Protokoll dar, das intentional ausgestaltet wurde und aus der Sicht des Krankenhauses die wesentlichen Elemente für eine positive Selbstdarstellung beinhaltet.

Die Adressaten der Qualitätsberichte werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss mit primär drei Kollektiven – Patienten, Ärzte und Krankenversicherungen – festgelegt, wodurch alle für ein Krankenhaus relevanten Klientelen angesprochen werden. In diesem Zusammenhang ist zu vermuten, dass Krankenhäuser beim Verfassen der Qualitätsberichte ihre wichtigsten Botschaften zu den Themen »Patientenorientierung« und »Versorgungsqualität« an ihre Adressaten berücksichtigen. Weiterhin hat eine erste, stichprobenhafte Untersuchung im Vorfeld dieser Arbeit ergeben, dass Krankenhäuser in ihren Qualitätsberichten auf aktuelle Entwicklungen des Gesundheitswesens teilweise explizit Bezug nehmen. Hierbei kommt den Themen »Wirtschaftlichkeit« und »Dienst­leistungsorientierung« ein besonderer Stellenwert zu, die sowohl im Leitbild als auch in den Einleitungen bzw. Vorworten sowie den Stellungnahmen zur Qualitätspolitik behandelt werden. Dies kann als ein weiteres Indiz für eine bereits einsetzende »Umdefinition« des Selbstverständnisses von Krankenhäusern und die zukünftig wachsende Bedeutung von Marketingaktivitäten in der betrieblichen Praxis klinischer Einrichtungen verstanden werden.

Die Motivation dieser Arbeit ist durch das oben bereits skizzierte inhärente Spannungsverhältnis begründet: Während das Krankenhauswesen seine historischen Wurzeln in der Antike hat, im Laufe seiner Entwicklung immer wieder tiefgreifenden Veränderungen unterlag und heute einem primär sozialen Auftrag der Gesellschaft entspricht, ist der Einsatz von Marketinginstrumenten als Ausdruck der Verbetriebswirtschaftung im Gegensatz zu anderen Sektoren noch vergleichsweise jung.14 Dieser Entwicklung stehen einerseits legislative Einschränkungen für das Marketing von Kliniken, andererseits kulturell-ethische Faktoren und auch materielle Gründe entgegen, die eine Bewerbung klinischer Einrichtungen ex ante erschweren. Die grundlegende Fragestellung bezieht sich damit auf die Vereinbarkeit von Krankheitsbewältigung und Marketing sowie den Ausdrucksformen dieses Verhältnisses in der Praxis. Die theoretische Diskussion der Arbeit fokussiert dementsprechend in einem ersten Schritt das genuine Wesen des Krankenhauses, seiner Praxis sowie die Begriffsbestimmung von Krankheit und die daraus entstehenden Implikationen für die Interaktion von Krankenhäusern mit ihrer Umwelt. Um den grundlegenden Strukturänderungen des Gesundheitswesens und ihren zeitdiagnostischen Folgen für das Krankenhauswesen Rechnung zu tragen, wird daraufhin der Trend zur Ökonomisierung dieses Sektors erörtert. Der Diskussion des Krankenhauswesens und seiner Besonderheiten gegenüber wird die Kommunikationspolitik als Bestandteil des Marketing – ausgehend von den vorherrschenden Konzepten der betriebswirtschaftlichen Marketingtheorie – einer theoretischen Auseinandersetzung unter einer teleologischen Perspektive unterzogen. Hierauf werden in einer Synthese der Ergebnisse dieser beiden Untersuchungsgegenstände die Restriktionen der Kommunikationspolitik im Krankenhauswesen – sowohl unter Beachtung der gesetzlichen Determinanten als auch der materiellen Gründe dargestellt. Ein Überblick über sowohl nachfragerseitige als auch anbieterseitige Befunde der Kommunikationspolitik im Krankenhauswesen sowie die idealtypologische Aufteilung der prinzipiell möglichen Formen der Kommunikationspolitik schließen den theoretischen Teil.

Im zweiten Teil steht die empirische Analyse im Zentrum. Gemäß der Typologie, die sich insgesamt in drei Idealformen der Kommunikationspolitik – professionell, ambivalent-diffus und marketingavers – ausdifferenziert, wurden die Qualitätsberichte von drei ausgewählten Krankenhäusern – dem Sana Klinikum Remscheid, dem Evangelischen und Johanniter Klinikum Niederrhein und dem Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke – analysiert. Um eine möglichst hohe Validität der Ergebnisse zu gewährleisten, wurden zuerst die Qualitätsberichte aus dem Berichtsjahr 2006 untersucht, um dann in einem zweiten Schritt die Qualitätsberichte aus dem Berichtsjahr 2008 als Referenzprotokoll dahingehend zu überprüfen, ob die im ersten Schritt generierten Ergebnisse sich falsifizieren bzw. verifizieren lassen. Methodisch liegt allen Analysen dieser Arbeit die Kunstlehre der objektiven Hermeneutik Ulrich Oevermanns und ihr sequenzanalytisches Vorgehen zugrunde, da sich gerade diese Methodologie zur Rekonstruktion der objektiven Sinnstrukturen der spezifischen Protokolle und der darin enthaltenen Fallstrukturen in besonderem Maße eignet.

Zusammenfassung, abschließende Diskussion und Schlussbemerkungen resümieren die Ergebnisse der theoretischen und empirischen Analysen und dienen als komprimierter Abschluss, um einen synthetisierenden Überblick auf die Arbeit und ihre Implikationen zu geben. Die Schlussbemerkung skizziert einen Ausblick auf weitere Forschungsvorhaben, wie die bearbeitete Fragestellung unter einem Kontrastdesign, das die Ausdrucksgestalten legitimer Kunst mit denen der Praxis der Kommu­nikationspolitik einander gegenüberstellt, fortgesetzt werden könnte.



Der Autor

Dr. Henrik Cohnen ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Universität Dortmund, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Forschungsprojekte von Prof. em. Dr. Hartmut Neuendorff.