Architektur als professionalisierte Praxis
Oliver Schmidtke
Architektur als professionalisierte Praxis
Soziologische Fallrekonstruktionen zur Professionalisierungsbedürftigkeit der Architektur
Forschungsbeiträge aus der Objektiven Hermeneutik
Band 8
Herausgegeben von Ulrich Oevermann, Roland Burkholz und Christel Gärtner
458 Seiten, 100 Abbildungen
Frankfurt am Main 2006
ISBN 978-3-934157-45-3
Buchausgabe 36,00 Euro (vergriffen)
E-Book (PDF) 24,80 Euro
Bisherige soziologische Studien zur Profession der Architektur unterstellen wie selbstverständlich, daß es sich bei der Architektur um eine Profession handelt, beschäftigen sich aber kaum mit der Frage, wie sich soziologisch begründen läßt, warum Architektur professionalisiert sein muß. Mit der Oevermannschen Unterscheidung von Professionalisiertheit und Professionalisierungsbedürftigkeit läßt sich die soziologische Thematisierung der Architektenprofession auf eine neue Grundlage stellen.
Die Tätigkeit des Architekten wird in dieser Studie als die professionalisierte Bearbeitung eines Handlungsproblems begriffen: des Problems der Gestaltung von Innen-Außen-Abgrenzungen, die die Seßhaftigkeit von Lebenspraxis an einen Ort binden und ihre Privatheit in die Öffentlichkeit eines Siedlungsensembles einbetten. Der Architekt ist weit mehr als ein Experte für bestimmte Routinen. Er leistet eine stellvertretende Krisenbewältigung für seinen Klienten, indem er dessen Praxis interpretiert und diese Interpretation in die ästhetische Gestalt eines Bauwerks übersetzt. Diese Dienstleistung kann weder rein standardisiert erfolgen, noch erschöpft sie sich in einer Art künstlerischem Design. Sie ist vielmehr auf den Vollzug eines Arbeitsbündnisses zwischen Architekten und Klienten angewiesen.
Diese Studie liefert weder eine Zustandsbeschreibung der institutionellen Verfaßtheit der Profession der Architekten, noch werden statistische Daten erhoben und ausgewertet. Vielmehr kommen möglichst heterogene Protokolle architektonischer Praxis in den Blick. Im Zentrum stehen hierbei Gebäudeanalysen, die bislang in soziologischen Untersuchungen zur Profession der Architektur keine Rolle spielten. Darüber hinaus werden Briefe Frank Lloyd Wrights an Klienten, Interviewsequenzen, die publizierte Argumentation eines Architekten für die Profession sowie Dokumente aus einem Realisierungswettbewerb sequenzanalytisch nach den methodischen Prinzipien der objektiven Hermeneutik interpretiert.
Inhalt
Teil 1
Das Handlungsproblem der Architektur 11
1 Einleitung 11
2 Die Profession der Architektur in der Professionssoziologie 19
3 Theoretische Herleitung des zentralen Handlungsproblems der Architektur 33
3.1 Die Verfaßtheit sozialen Raumes als Grundlage der Professionalisierungsbedürftigkeit
der Architektur 33
3.1.1 Vorbemerkung 33
3.1.2 Zur konstitutionstheoretischen Bestimmung von sozialer Zeit und sozialem Raum 33
3.1.2.1 Die Bestimmung von Sozialräumlichkeit in der Soziologie 33
3.1.2.2 Konstitutionstheoretische Herleitung der Kategorien soziale Zeit und sozialer Raum
durch Oevermann 43
3.1.3 Der soziale Raum als Innen-Außen-Abgrenzung und seine Bedeutung für die Architektur 47
3.2 Das Handlungsproblem der Architektur 52
3.3 Zusammenfassung 69
4 Die historische Genese der Profession der Architektur 71
5 Gebäudetypologie 113
Teil 2
Fallrekonstruktionen ?
Analyse von Protokollen architektonischen Handelns 121
1 Werkanalysen ? Interpretation von Gebäuden 121
1.1 Allgemeine Vorbemerkung 121
1.2 Methodische Vorbemerkung 122
1.3 Eine Fabrikantenvilla ? Architekt: Paul Reinhold 125
1.4 Der Hohenhof ? Der Bauherr Karl Ernst Osthaus und der Architekt
Henry van de Velde 149
1.4.1 Vorbemerkung 149
1.4.2 Siedlungseinbettung 150
1.4.3 Analyse biographischer Daten des Bauherrn Karl Ernst Osthaus 153
1.4.4 Die Analyse der Baugestalt 163
1.4.4.1 Interpretation der äußerlich sichtbaren Gestalt 163
1.4.4.2 Zwischenresümee 181
1.4.4.3 Analyse der Innengliederung der Beletage 185
1.4.5 Resümee 191
1.5 Das Haus Tugendhat ? Architekt: Mies van der Rohe 197
1.5.1 Analyse der äußerlichen Gestalt 197
1.5.2 Analyse der inneren Gliederung 204
1.6 Das Verwaltungsgebäude der I.G.-Farben ? Architekt: Hans Poelzig 208
1.7 Das Museum für Angewandte Kunst ? Architekt: Richard Meier 222
1.8 Resümee der Gebäudeanalysen 235
2 Analyse von Dokumenten des Praxisvollzuges
von Architekten ? Briefe 239
2.1 Vorbemerkung 239
2.2 Interpretation eines Briefes von Frank Lloyd Wright an die Bauherrin Aline Barnsdall 241
2.3 Interpretation eines Briefes von Frank Lloyd Wright an den Bauherrn Darwin D. Martin 264
2.4 Resümee 276
3 Analyse von Äußerungen zum Selbstverständnis von Architekten 279
3.1 Vorbemerkung 279
3.2 Interpretation von Ausschnitten aus einem Forschungsinterview mit einer Architektin 279
3.2.1 Sequenzanalyse 279
3.2.2 Resümee 320
3.3 Interpretation der Argumentation für die Architektenprofession durch einen Architekten in einem Aufsatz mit dem Titel »Ist der Architekt überholt?« 325
3.3.1 Sequenzanalyse 325
3.3.2 Resümee 341
4 Der städtebauliche Realisierungswettbewerb Campus Westend 342
4.1 Vorbemerkung 342
4.2 Zur Praxis des Wettbewerbs 343
4.3 Interpretation des Auslobungstextes 346
4.3.1 Sequenzanalyse 346
4.3.2 Zwischenresümee 377
4.4 Bestimmung wesentlicher Bedingungen für die Ästhetik des Entwurfs 380
4.5 Betrachtung ausgewählter eingereichter Entwürfe 382
4.6 Resümee 404
Teil 3
Zusammenfassung, Generalisierung und Ausblick 409
1 Rekapitulation der Ergebnisse aus den empirischen Analysen 409
2 Das Handlungsproblem des Architekten 414
3 Zur Abgrenzung von Architektur und Stadtplanung 418
4 Zur Abgrenzung der Architektentätigkeit von der des Ingenieurs 420
5 Zur Abgrenzung der Architektentätigkeit von der des bildenden Künstlers 429
6 Zur Abgrenzung der Architektentätigkeit von der des Produktdesigners 433
7 Zusammenfassung und Ausblick 435
Literatur 439
Abbildungsnachweise 456
Danksagung 457